„I skate where the puck is going to be, not where it has been” (Wayne Gretzky, zit. nach Gallo, 2012): Genauso wie Eishockeylegende Wayne Gretzky die „Zukunft des Spiels“ lesen konnte und sich so einen individuellen Vorteil zur Konkurrenz erarbeiten konnte, möchten heutzutage High-Performance-Teams im Sport anhand von Innovationen sich einen Vorteil gegenüber anderen Teams erarbeiten. Im Teamsport sind umfassende Spielerstatistiken, sogenannte Sabermetrics, zum neuen Standard geworden: Während in den 1980er-Jahre in Nordamerika das Aufbereiten von Spielerstatistiken erst langsam begann, wurden diese im folgenden Jahrzehnt stets umfangreicher. Berühmtheit erlangte 2002 das Beispiel des Sportchefs der Oakland Athletics (Baseball), Billie Beane, dessen Team für die Saison allein aufgrund von Spielerstatistiken neu zusammengesetzt wurde: Das Team konnte eine beispielslose Siegesserie abliefern und ist bis heute das Beispiel schlechthin für den Erfolg von Big Data im Sport (siehe Spielfilm: Moneyball – The Art of Winning an Unfair Game, 2011).
Heutzutage ist Big Data im Sport allgegenwärtig und in nahezu allen Sportarten präsent sowie von Verbänden auch proaktiv gefördert: So bietet der Schweizer Eishockeyverband (SIHF) beispielsweise umfassende Spielerstatistiken ihren Vereinen an und Analysen zu statistisch erwarteten Toren und Gegentoren anhand von Spielerstatistiken sind im Eishockey weitverbreitet – sogenannte Expected Goal (xG) Statistiken. Doch so sehr Sabermetrics eine magische Teamkomponente zu haben scheinen, basieren diese Spielstatistiken doch einzig und allein auf individuellen Spielereigenschaften. Und obwohl Teamerfolg vom Leistungsvermögen der Einzelspieler abhängt, gibt es genügend Beispiele von „Traumteams“, wo die Besten der Besten zusammenspielen, jedoch nicht den erwarteten Erfolg erzielen. Was also macht ein Team im Zusammenspiel erfolgreich? Gibt es einen weiteren Erfolgsfaktor auf Teamebene, der mit der Leistung und dem Erfolg zusammenhängt?
Im Rahmen der Masterarbeit von Eliah Knecht wurden professionelle Eishockeyteams aufgrund ihrer Teampassung, d.h. der Zusammensetzung von Persönlichkeitsmerkmalen, und ihrer sportlichen Leistung untersucht. Basierend auf einer wissenschaftlich, ab 2015 entwickelten Methode (siehe www.code18.team) wurden bei 4 Eishockeyteams der Swiss League die entscheidenden Persönlichkeitsmerkmale gemessen: insgesamt umfasste die Stichprobe 82 professionelle Eishockeyspieler.
Anschliessend wurden die Spiele der 4 Eishockeyteams über die Hälfte der Saison bezüglich ihrer Passung analysiert, d.h. der Teamzusammensetzung auf dem Eis (im Eishockey Blöcke genannt) und bezüglich des sportlichen Erfolgs: der Anzahl erzielter Tore und der Anzahl erhaltener Gegentore. Insgesamt wurden so 63 Spielerkombinationen untersucht à 3, 4 oder 5 Spieler pro Block – wobei nur Tore und Gegentore bei numerischer Gleichheit berücksichtigt wurden. Anhand der mathematisch berechneten Passung wurde statistisch überprüft, ob eine ideale Teampassung zu mehr Erfolg führt, d.h. zu mehr erzielten Toren, und eine nicht optimale Teampassung zu Misserfolg führt, d.h. zu mehr erhaltenen Gegentoren.
Wie funktioniert es?
Anhand der von Code18 entwickelten Methode kann wissenschaftlich sehr zuverlässig und einfach anhand von 18 Faktoren gemessen werden, wie viel und was eine Person in ein Team einbringt. Aus der Messung resultiert für jede Einzelperson ein individuelles Coachingprofil mitsamt den jeweiligen Stärken und Potenzialen. Durch ein Übereinanderlegen der Profile kann die Teampassung mathematisch genau bestimmt werden. In vorgängigen Studien mit Wirtschaftsteams (Bucher & Tobler, 2017) konnte erstmals gezeigt werden, dass ein gesundes Mass bzw. eine Balance aus Ähnlichkeit und Unähnlichkeit in Teams besonders erfolgreich ist: Dann profitieren Personen gegenseitig von den unterschiedlichen Stärken, gleichzeitig sind aber alle auf dasselbe Ziel fokussiert. Umgekehrt ausgedrückt: Sind alle Personen im selben Gebiet besonders stark (zu hohe Ähnlichkeit), können Schwächen im Team nicht abgefedert werden. Und sind alle Personen in ganz unterschiedlichen Gebieten stark (zu hohe Unähnlichkeit), dann agiert jeder für sich und es entsteht kein Teamwork.
Funktioniert es auch im Sport?
Anhand dieser Masterarbeit konnte statistisch belegt werden, dass die Teamzusammenstellung im Eishockey einen sehr hohen Zusammenhang mit der sportlichen Leistung hat. Bei idealer Passung der Eishockeyteams werden signifikant mehr Tore erzielt als bei suboptimaler Passung: +46% mehr Tore. Gleichzeitig werden bei idealer Passung der Eishockeyteams signifikant weniger Gegentore erhalten als bei suboptimaler Passung: -62% weniger Gegentore. Folglich hat die Teampassung einen hohen Einfluss auf den sportlichen Erfolg. Interessant ist zudem, dass weder Alter oder Grösse und Gewischt (Physis), noch Fähigkeiten und Fertigkeiten gemäss Sabermetrics (Technik) oder die Position (Taktik) erfasst und gemessen wurden, sondern das Tool einzig und allein Persönlichkeitsmerkmale misst und kombiniert, woraus die Leistungssteigerung resultiert.
Was sind weitere Erkenntnisse für das Eishockey?
Neben der Teampassung zeigt die Code18 Messung zusätzlich auf der Ebene der Einzelspieler, dass je mehr sich ein Spieler in ein Team einbringt, desto mehr Punkte (Tore und Assists) dieser Spieler erzielt. Dies zeigt, dass neben der Physis, Technik und Taktik auch die Persönlichkeitsentwicklung zu besserer Leistung führt. Diese Stärke nimmt mit der Erfahrung und Verantwortungsübernahme zu, was die Notwendigkeit der Persönlichkeitsentwicklung gerade bei jungen Spielern klar aufzeigt.
Im Eishockey sind Beziehungen eine besonders wichtige Qualität: Wie kaum ein anderer Sport lebt das Eishockey vom Team Spirit, einer guten Teamkommunikation und gegenseitiger Unterstützung – nicht erstaunlich in dieser „bruderschaftlichen“ Sportart. Hingegen ist bei den analysierten Teams das Spielverständnis, wie eingangs anhand des herausragenden Beispiels von Wayne Gretzky, am geringsten ausgeprägt – vielleicht auch weil die Swiss League eine Ausbildungsliga für viele junge Spieler ist.
Captains weisen im Vergleich zu anderen Spielern ein durchwegs hohes Mass an Identifikation aus, während die übrigen Spieler hier meist einen geringen Wert angeben. Dies zeigt, dass Captains den grössten Beitrag zur Identifikation der Spieler mit dem Team und dem Verein leisten und zur Loyalität der Spieler beitragen. Zudem sind Captains (inkl. sogenannte Assistenz-Captains) in zwischenmenschlichen Bereichen sehr stark: Sie können und müssen das Team zusammenhalten.
Gibt es einen Erfolgsfaktor «Team» auch anderswo?
Die Resultate dieser Masterarbeit hinsichtlich der Teampassung und Erfolg bestätigen die bisherigen Theorien sowohl zu High-Performance Teams (Jenewein, 2008), Group Flow (Pels, Kleinert & Mennigen, 2018) sowie zu Diversität (Horwitz & Horwitz, 2007). Anhand der früheren Studien mit Wirtschaftsteams sowie der nun ersten Studie im Eishockey kann die Gültigkeit und der Mehrwert auch im Sport aufgezeigt werden und für weitere Teamsportarten als höchstwahrscheinlich vermutet werden.