Covid 19-Pandemie als exogener Schock – Reaktionen und Handlungsempfehlungen der deutschen Bundesliga

Das Ökosystem ‹Profifussball in Deutschland› ist eine bedeutende und medienwirksame Industrie, die in den letzten Jahren kontinuierlich und stark gewachsen ist. Doch seit dem exogenen Schock der COVID-19-Pandemie hat sich die Situation der Vereine verändert. Die Bundesligisten sind stark von den Auswirkungen der Gesundheitskrise betroffen und müssen sich seitdem der Kritik stellen, dass ihr Geschäftsmodell nicht krisenfest sei.

Autor:

Leonard Melis

In der vorliegenden Arbeit wird deshalb die Reaktion der Bundesligisten auf den exogenen Schock analysiert, wobei auch vier wesentliche Handlungsempfehlungen beschrieben werden, wie die Resilienz der Bundesligisten zu erhöhen ist. Um dieses Vorhaben umzusetzen, wurde in einem ersten Schritt mithilfe einer detaillierten Literaturanalyse ein Bewertungsframework erstellt, durch welches die umgesetzten Massnahmen zweier Bundesligisten (Case Studies) ganzheitlich analysiert wurden. Mithilfe von Experteninterviews (Vereine, Verbände und externen Experten) sowie den Ergebnissen der Analyse wurden vier wesentliche Handlungsempfehlungen abgeleitet, die den Vereinen dabei helfen sollen, ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.

Analyse der angewendeten Massnahmen der zwei Bundesligisten:

Zusammenfassend waren die analysierten Vereine zwar nicht ausreichend auf den exogenen Schock vorbereitet, jedoch haben sie anschliessend ihr Geschäftsmodell an die neuartige Situation angepasst. Dafür wurden sowohl kostenreduzierende als auch strategische Massnahmen angewendet.

Kostenreduzierend haben die zwei Bundesligisten unter anderem wichtige Verträge mit Spielern, Stadionbetreibern oder Medienhäuser angepasst. Spieler sowie Trainer haben nicht nur zu Beginn der Pandemie auf ihre Gehälter verzichtet, auch im Verlauf der Pandemie hat einer der beiden analysierten Bundesligisten variable an der Stadionauslastung gekoppelte Klauseln in den Spielerverträgen inkludiert. Der andere Verein hat mit der Stadionbetreibergesellschaft einen neuen langfristigen Vertrag ausgehandelt, der auch die Stadionauslastung im Mietvertrag berücksichtigt. Des Weiteren hat die DFL, als Zusammenschluss der Vereine, mit Sky dem Pay-TV Anbieter, die Zahlungsmodalitäten der Vermarktungsrechte angepasst. Vereine erhalten jetzt nicht mehr quartals- sondern monatsweise ihre Hauptmedienerlöse und haben so ihr Working Capital optimiert. Des Weiteren haben die Vereine versucht, u.a. mit Landesbürgschaften sowie Verhandlungen mit Banken, ihre Finanzierungskosten zu reduzieren und Liquiditätsrisiken zu senken. Auch Kosteneinsparungsprogramme wurden bei beiden Bundesligisten umgesetzt, um nicht nur die operativen Kosten in der Verwaltung zu reduzieren, sondern auch den Lizenzspieleretat (Gehälter der Spieler) kurz- bis mittelfristig an die neue Situation anzupassen.

Bezüglich der strategischen Massnahmen hatten diese oft das Ziel das Geschäftsmodell der Bundesligisten zu erweitern sowie die Fanbindung zu stärken, um so langfristig die Resilienz zu erhöhen. Die strategischen Massnahmen der analysierten Bundesligisten haben sich stärker unterschieden als bei den kostenreduzierenden Massnahmen. Beide Vereine haben zwar Digitalisierungsmassnahmen eingeleitet, doch die Umsetzung und Implementierung unterscheiden sich stark. Einer der beiden Vereine hat nicht nur einen Fokus daraufgelegt, kurzfristig deutlich mehr eigenen digitalen Content den Fans anzubieten, sondern um mittelfristig die Qualität der eigenen Berichterstattung zu erhöhen, eigens extra ein TV-Studio errichtet. Neben der Erhöhung der Fanbindung erhofft sich der Verein auch eine Diversifikation der Erlösquellen, durch die Erweiterung des traditionellen analogen Geschäftsmodells durch Digitalisierung. So wird mithilfe der Gewinnung von Fan-Daten neue Geschäftstätigkeiten entwickelt bzw. diese Daten monetarisiert. Beide Vereine haben, obwohl Liquidität ein sehr wichtiges Gut in der Krise ist, in ihr Stadion investiert, um den Besuch für Fans, vor allem in Bezug auf Hygiene, sicherer zu machen und auch mit Hilfe von Digitalisierung (Besucherstrommanagement, Kartenzahlung, digitaler Ticketverkauf) langfristig das Stadion als wichtigsten Channel zu stärken. Des Weiteren hat ein Verein Massnahmen eingeleitet, um die Erlösströme durch den Bereich E-Sports weiter zu diversifizieren. Auch in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit haben sich die zwei analysierten Vereine stark unterschieden.

Handlungsempfehlungen

Abgeleitet von den gesammelten Erkenntnissen (Case Studies, Experteninterviews und Workshops, Literaturrecherche) wurden vier Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, um langfristig die Wiederstandsfähigkeit der Bundesligisten zu erhöhen. Dabei fiel auf, dass einige Bundesligisten bisher keine ausformulierte Identität und Unternehmensstrategie sowie ESG-Strategie besitzen und dass entsprechende Massnahmen, um diese Aspekte auszubauen, sehr resilienzfördernd sind. Darüber hinaus wurden Empfehlungen beschrieben, welche Bundesligisten unterstützen, die wesentlichen ihrer Problemfelder zu lösen und mithilfe von Investments in ein digitales Geschäftsmodell sowie E-Sports ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Im folgenden Abschnitt werden die vier genannten Handlungsempfehlungen kurz zusammengefasst.

Bundesligisten müssen sich ihrer Identität bewusst sein und diese sowie eine darauf aufbauende Unternehmensstrategie ausformulieren!

Laut den gesammelten Erkenntnissen verfügen einige Bundesligisten nicht über eine klar kommunizierte Identität bzw. Strategie. Mehrere Experten wiesen darauf hin, dass Vereine klare Identitäts- und Strategie- Konzepte erarbeiten sollten, um sich weiter zu professionalisieren. Des Weiteren fördern eine klar formulierte Identität sowie eine darauf aufbauende Unternehmensstrategie das Krisenmanagement eines Bundesligisten, da dies vor allem intern den handelnden Mitarbeitern Orientierung liefert, um vor allem in Krisenzeiten den Verein bzw. das Geschäftsmodell zu adaptieren. Auch nach außen kann eine klar formulierte und gelebte Identität die Beziehung zwischen den Fans sowie auch Sponsoren und dem Verein stärken und die Gewinnung neuer Fans sowie Sponsoren erleichtern. Darüber hinaus kann, die Identität bzw. Strategie eines Vereins als grundsätzliche Basis für alle zukünftigen Empfehlungen gesehen werden. Um die Erfolgswahrscheinlichkeit einer potenziellen Handlungsempfehlung zu erhöhen, sollte diese demnach im Einklang mit der Identität sowie Strategie sein.

Bundesligisten müssen einen Breiten-E-Sports-Ansatz nutzen und in Spiele ausserhalb des Fussballs investieren!

Die Auswirkungen der Pandemie haben den Vereinen aufgezeigt, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, in Umsatzströme zu investieren, welche sie weniger abhängig von ihrem Kerngeschäft machen. Eine Stärkung der E-Sports-Aktivitäten kann als Lösung gesehen werden, nicht nur um die Umsätze der Vereine zu diversifizieren, sondern auch um ein weiteres Problem der Vereine zu lösen. Denn laut einigen Experten fällt es den Vereinen immer schwerer, die junge Zielgruppe für das Produkt ‹Bundesliga› zu begeistern. Da E-Sports vor allem bei jungen Menschen beliebt ist, kann ein Investment in diesem Bereich die Vereine dabei unterstützen, die Zielgruppe zu erreichen und für Cross-Selling Effekte zu sorgen.

Viele Bundesligisten haben bereits seit mehreren Jahren E-Sports-Teams, um verschiedene Fussballsimulatoren (z.B. FIFA) aufgebaut. Doch dieses Engagement reicht laut den Experten nicht aus, um das volle Potential auszunutzen. Bundesligisten sollten einen Breitensport-Ansatz (wie bei den analogen Sportarten) auch im Bereich E-Sports wählen und dahingehend in Titel ausserhalb des Fussballs investieren (z.B. League of Legends). Des Weiteren sollten die Bundesligisten ihre Kernfähigkeiten einbringen (u.a. Talentförderung von jungen E-Sport Spielern, Infrastruktur, Marke) um nachhaltig für das gesamte E-Sports-Ökosystem Mehrwerte zu generieren und somit auch der gesellschaftlichen Verantwortung als Verein (viele Bundesligisten sind eingetragene Vereine) Rechenschaft zu leisten.

Bundesligisten müssen eine ESG-Strategie haben, um ihre Value-Proposition zu sichern und wettbewerbsfähig zu bleiben!

Einige Experten befürchten eine Entfremdung der Fans und beschreiben darüber hinaus auch, dass die Bundesligisten ein Glaubwürdigkeitsproblem haben, welches diese lösen müssen, um langfristig ihre Value-Proposition zu sichern. Ein Schritt können diesbezüglich laut den Experten authentische Nachhaltigkeitsbestrebungen bzw. ‑Aktionen sein.

Darüber hinaus wird dies auch von Fans, Sponsoren und auch dem Regulator gefordert. Die DFL hat im Dezember 2021 beschlossen, als erste europäische Profifussballliga Nachhaltigkeitskriterien in dem Lizenzierungsverfahren einfliessen zu lassen. Voraussichtlich ab der Saison 2023/24 werden Vereine basierend auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Environmental, Social, Governance) nach konkreten Kriterien auditiert und bei Missachtung dieser Lizenzierungsanforderungen sanktioniert.

Für ein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement benötigen Vereine die vollumfassende Konzeption sowie Etablierung einer ESG-Strategie. Diese Strategie muss zwar alle drei ESG-Dimensionen umfassen, jedoch sollten jeweils nur einzelne erfolgversprechende und ökonomische Projekte durchgeführt werden. Zudem müssen Umweltschutz, soziales Verhalten und faire Unternehmensführung als Teil der Kultur sowie Organisationsstruktur im Verein verankert sein. Letztendlich müssen ESG-Projekte auch transparent und adressatengerecht kommuniziert werden, um auch den externen Stakeholdern die Nachhaltigkeitsbemühungen präsentieren zu können.

Bundesligisten müssen ihr bisheriges Geschäftsmodell in eine digitale Welt übersetzen!

Die bisher meist nur analogen Geschäftsmodelle der Bundesligisten müssen hinterfragt werden, denn die Möglichkeiten, innerhalb traditioneller Erlösquellen stark zu wachsen, sind begrenzt. Des Weiteren müssen auch die durch die Digitalisierung veränderten Bedürfnisse der Fans von Vereinen laut den Experten adressiert werden. Um diese Problemfelder anzugehen, müssen Bundesligisten ihr Geschäftsmodell in eine digitale Welt übersetzen und dabei den Fan noch stärker als bisher in den Mittelpunkt dieser Erweiterung stellen.

Wie bereits beschrieben, haben Bundesligisten erste Schritte unternommen, um dem Fan auch digitale Angebote zur Verfügung zu stellen. Doch um ein allumfängliches digitales Geschäftsmodell zu schaffen, sollten Vereine weiter gehen. Die Bundesligisten müssen nun eine Ausgangsbasis in Form einer digitalen Plattform schaffen, um Schritt für Schritt mit verschiedenen Services ein digitales Ökosystem zu bauen. Bisher fungiert vor allem das Stadion als zentraler Channel und somit als relevanteste physische Plattform, um Wert für die Vereine zu erzeugen. Dies muss nun zusätzlich digital mit Hilfe einer Plattform übersetzt werden. Auf deren Grundlage können sie die klassischen Erlösströme (Merchandising, Ticketing, Licensing, Sponsoring) digital nachbauen und mithilfe von Partnern ein digitales Ökosystem erschaffen. Dadurch können Bundesligisten zukünftig ihre Umsätze erhöhen und weniger abhängig von sportlichen Erträgen werden. Um jedoch dieses kosten- und ressourcenintensive Vorhaben umzusetzen, müssen Vereine sich intensiv überlegen, ob sie diese Plattform selbst bauen oder diese bei Drittanbietern extern einkaufen.