In der wissenschaftlichen Literatur wird die Geschäftsähnlichkeit von Sportverbänden mehrdeutig bewertet. Einerseits bietet sie Sportverbänden die Chance, ihrer sozialen Mission in der Gesellschaft als Organisatoren des Sports besser nachzukommen. Über die Effizienz in der Allokation knapper Ressourcen, verstärkter Legitimität nach aussen und der sich daraus ergebenden Gewinnung finanzieller Ressourcen kann die Leistungsfähigkeit eines Verbands erhöht werden. Andererseits birgt sie die Gefahr des sogenannten «Mission Drifts», indem leicht zu messende monetäre Ziele schwerer messbare inhaltliche Ziele dominieren. Sich in der Vergangenheit ereignete Skandale wie Korruption im IOC, Doping im Radsport oder die Vergabe der WM 2022 durch die FIFA an Katar haben die Kritik an der Annäherung von Sportorganisationen an privatwirtschaftliche Unternehmen zunehmend verstärkt. Es besteht also ein Spannungsfeld zwischen «Wirtschaft und Werten» beziehungsweise «Mission und Geld». Diese vermeintlichen Widersprüche müssen allerdings nicht einseitig aufgelöst werden, sondern in eine gute Balance gebracht werden. In einer guten Balance können sich betriebswirtschaftliche Ansätze in Sportverbänden nicht nur positiv auf die wirtschaftliche Leistung auswirken, sondern auch die Verfolgung der sozialen Mission stärken.
In der Literatur sind die Ursachen und Auswirkungen der Professionalisierung in nationalen Sportverbänden bereits gut abgedeckt, allerdings mangelt es noch an Theorien zur optimalen Balance zwischen Wirtschaft und Werten respektive Mission und Geld. Um dieses Balance zu untersuchen und zu beantworten, wie die Mission eines nationalen Sportverbands inmitten der zunehmenden Professionalisierung im Fokus behalten werden kann, wurde eine Einzelfallanalyse eines nationalen Sportverbands durchgeführt, basierend auf elf qualitativen Interviews mit sechs Vorstandsvertretenden des Sportverbands und fünf Expertinnen und Experten aus dem Bereich Nonprofit- und Sportmanagement sowie vom Verband zur Verfügung gestellten Dokumenten. Im Vorfeld der Interviews erfolgte zudem eine Literaturrecherche zu den Ursachen, Formen, Chancen und Risiken der Professionalisierung. Aus den Interviews und der Literaturrecherche resultierten schliesslich sieben Handlungsempfehlungen an nationale Sportverbände zum Umgang mit der Professionalisierung:
1. Klare Definition von Anforderungen, Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen an die jeweiligen Positionen innerhalb eines Verbands:
Dies ist insbesondere wichtig, um der zunehmenden Komplexität hinsichtlich der zu erfüllenden Aufgaben entgegenzuwirken.
2. Entwicklung von Marketingstrategien und moderner Kommunikationsmittel im Umgang mit den Anspruchsgruppen aus dem internen und externen Umfeld:
Dies zielt insbesondere auf die Akquisition von Sponsoren, aber auch Mitglieder, ab.
3. Transparente Kommunikation und partizipative Einbindung der Mitgliederbasis in die Entwicklung des Sportverbands:
Dies ist ausschlaggebend, um die Mission nicht aus den Augen zu verlieren, und Widerständen gegen die zunehmende Professionalisierung vorzubeugen.
4. Die Strategie muss klar sein, sich an der Vision des Verbands ausrichten und mit der Verbandsstruktur und -kultur übereinstimmen:
Eine auf der Vision basierende Strategie hilft letztendlich, dass die Professionalisierung nicht zum Ziel strategischer Initiativen wird, sondern die Chance bietet, strategische Ziele besser zu erreichen und dadurch eine höhere Leistungsfähigkeit zu erzielen.
5. Messung des Ausmasses der beabsichtigten Wirkungen aus der Implementierung von strategischen Massnahmen:
Im Grundsatz können in der Wirkungsanalyse folgende Fragen von Relevanz sein: Welche Wirkungen entfaltet die Implementierung
strategischer Initiativen bei der Zielgruppe? Erreicht die Implementierung die definierten strategischen Ziele? Wie können die Ergebnisse verwendet werden, um zukünftige Implementierungen strategischer Initiativen zu verbessern?
6. Aufsetzung selektiver Kriterien für die Akquise von Sponsoren:
Die Selektionskriterien für die Akquise von Sponsoren sollte auf einem gemeinsamen Werteverständnis basieren. Dadurch kann erreicht werden, dass die Interessen und Erwartungen von Mitgliedern und Geschäftspartnerschaften möglichst gut ineinandergreifen.
7. Austausch und Benchmarking mit professionell bereits weiterentwickelten Sportverbänden:
Das Benchmarking hilft durch den Verbands-übergreifenden Vergleich von Dienstleistungen, Prozessen oder Methoden festzustellen, wo und weshalb allfällige Unterschiede zu gut funktionierenden Verbänden bestehen und wie die eigene Funktionsfähigkeit verbessert werden kann.
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Einbindung der Mitgliederbasis in die Verbandsaktivitäten und -entwicklung entscheidend ist, um die Mission im Fokus zu behalten und gleichzeitig Akzeptanz für die Professionalisierung zu schaffen. Über offene Kommunikationskanäle zur Mitgliederbasis kann sichergestellt werden, dass deren Interessen berücksichtigt werden. Zudem ist im Umgang mit externen Geschäftspartnerschaften die Formulierung selektiver, wertebasierter Kriterien massgeblich. Zuletzt sollten die Verbandsstrukturen mit der Kultur, Strategie und Vision eines Verbands möglichst gut ineinander greifen. Durch diese Massnahmen wird nicht die Professionalisierung selbst zum Ziel, sondern sie dient dem nationalen Sportverband bei der Erfüllung seiner Mission.