Was sind die Erfolgsfaktoren in chinesischen sozialen Medien für europäische Fussballunternehmen?

Das Umsatzwachstum im heimischen Markt ist für europäische Fussballclubs an seine Grenzen gestossen. Die Vereine können durch Internationalisierung neue Märkte erschliessen und professionelle Fussballvereine aus Europa haben China im Rahmen ihrer Internationalisierungsstrategie als Absatzmarkt der Zukunft entdeckt.

Autor:

Bettina Baer

China ist für Sportorganisationen ein interessanter Markt für Fanwachstum, Vermarktung und Diversifizierung der Einkommensquellen: die Kombination einer kompetitiven Sportmedienlandschaft mit nationalen Bestrebungen, internationale Sportarten nach China zu bringen, hat die Volksrepublik zum Sportmarkt mit dem grössten Wachstum der Welt werden lassen (Mailman Group, 2016). Die Strategien der europäischen Top-Clubs sind mittel- bis langfristige ausgerichtet und reichen von festen Niederlassungen über gezielte Club-Kooperationen bis hin zu minutiös geplanten Sommertouren (Oediger, 2017, S. 21). Neben dem Verkauf von TV-Rechten sind einzelne Clubs mit sehr lukrativen Partnerschaften und strategischen Kooperationen mit China verknüpft.

Richtet sich ein Unternehmen global aus, hat das Einfluss auf die Kommunikationsstrategie. Besonders in der emotional geprägten Fussballbranche birgt die Kommunikation mit verschiedenen Ländern und in verschiedenen Sprachen grosse Potenziale (Kainz, Oberlehner, Krey & Werner, 2014, S. 40 ff.). Die chinesische Social-Media-Landschaft ist einzigartig, dynamisch und höchst-fragmentiert und daher stellen sich im Zuge der Internationalisierung im Bereich soziale Medien Herausforderungen, die sich in China durch die Medienzensur und das veränderte Fan- und Konsumentenverhalten verstärken. Zugleich bieten die chinesischen Plattformen aussergewöhnliche Chancen, da viele nahtlos mit Zahlungsmöglichkeiten verknüpft sind und die chinesischen Fans besonders gut zu erreichen sind.

Zur Untersuchung der Frage, wie europäische Clubs erfolgreich in den sozialen Medien in China auftreten, wurden Interviews mit Experten von europäischen Top-Clubs aus der Bundesliga und Premier League geführt, um Einblicke in ihre Ziele, Motive und Erfahrungen zu erlangen. Zusätzlich wurde eine Online-Umfrage mit chinesischen Fans durchgeführt (n=1001), um mehr über ihr Nutzerverhalten, ihre Bedürfnisse und Einstellung zum Thema zu erfahren.

Aus den Erhebungen wurden folgende Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen abgeleitet, die europäischen Vereinen bei der Erreichung ihrer Ziele Branding, Reichweite, Fangewinnung und Fanbindung helfen sollen (vgl. Kapitel 4.3.4 Ziele und Nutzen von Social Media in China):

1. Richtige Auswahl und Nutzung der Plattformen
„Die kritischen Faktoren lauten Seriosität der Plattform, Nutzerzahlen, die Art der Ansprache und Funktionalitäten.”

– Linus Lebugle, Head of Strategy and Innovation VfL Wolfsburg

Der chinesische Digitalmarkt ist unübersichtlich und verändert sich in rasantem Tempo. Deshalb wird empfohlen, mit zwei bis drei der dominierenden Social-Media-Kanälen zu starten, um so das Risiko zu minimieren. Weitere Auftritte sind erst dann sinnvoll, wenn die Ressourcen und Inhalte dies auch erlauben und es muss gewährleistet werden, dass jede Plattform individuell und auch zielgruppengerecht aktiviert werden kann (Klocker, 2017).

2. Expertise im chinesischen Markt akquirieren
„You need the experts. It would be poor to have the people in London tell you what works in China.”

– Chris Harris, Managing Editor Arsenal FC

Die Vereine müssen Zugang zu Experten gewinnen, um ein besseres Verständnis für den chinesischen Markt und die chinesischen Nutzer zu erhalten. Dies kann verschiedene Formen annehmen: Der FC Bayern München zum Beispiel hatte sich damals entschieden, das Wissen im Unternehmen aufzubauen. Für den Markteintritt in China wurde ein ehemaliger chinesischer Sportreporter und Fussball- und Bayern-Experte eingestellt. Seine ausgezeichnete Kenntnis der chinesischen Medienlandschaft und sein Netzwerk helfen dem Verein auf der Partner- und Sponsorensuche.

Es bieten sich jedoch auch einfachere Möglichkeiten, Zugang und Verständnis für das chinesische Nutzerverhalten zu erhalten. Bei den Spielen von Eintracht Frankfurt kümmert sich ein Chinesisch und Deutsch sprechender Student um die Liveberichterstattung nach China. Diverse Vereine rekrutieren für die Übersetzung von Beiträgen auch chinesische Fans, mit denen sie über Fan-Clubs in Kontakt kommen. Viele Vereine vertrauen aber auf professionelle Beratungsagenturen und Dienstleister im chinesischen Markt.

Einige Vereine (Atlético Madrid, FC Barcelona, AC Mailand, Inter Mailand, Manchester City und andere) nutzen auch ihre chinesischen Investoren, um einen Zugang zu Wissen über die Gegebenheiten und Gepflogenheiten in der chinesischen Geschäftswelt zu erhalten (Handelszeitung, 2016).

3. Inhaltsformate, Kommunikation und Grafiken lokalisieren
„We have tried to localize every piece of content and put into our Chinese social media platforms, combining it with the local trends on social media and key holidays and events.”

– Jing Zhu, Regional Team Leader China of Manchester City

Die Qualität der Inhalte ist in China ein zentraler Hebel für die erfolgreiche Kommunikation in den sozialen Medien. Vereine benötigen daher qualifizierte Sportredaktore oder eine Agentur, die auf China abgestimmte Redaktionspläne erstellt und mindestens 30% China-zentrische Inhalte produziert (Klocker, 2017). Dabei sollte der Verein auf aktuelle Geschehnisse und Feiertage eingehen, um den Fans Wertschätzung entgegenzubringen und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu fördern. In der Kommunikation sollte man vor allem die Komponenten Sprache, Tonalität und Verwendung von Emojis anpassen. Es empfiehlt sich, Grafiken und grafische Elemente in Videos in chinesischer Anmutung zu erstellen. Die chinesischen Fans mögen zum Beispiel Comic-Elemente in Grafiken.

Bei einigen Vereinen lässt sich beobachten, dass die Qualität der Übersetzungen nicht immer ausreichend korrekt ist. Darauf sollte besonders geachtet werden, da die Inhalte sonst nicht authentisch wirken. Aufgrund der Medienzensur verschlüsseln chinesische User oftmals ihre Kommunikation, so dass gewisse Begriffe durch das System der Regierung nicht erkannt werden. Die linguistische Kultur entwickelt sich sehr schnell weiter. Dies ist ein weiterer Grund, einheimische Leute mit einem Ohr am Markt für die Social-Media-Kommunikation einzusetzen.

4. Exklusivität in der Inhaltserstellung
Die Ergebnisse der Umfrage haben gezeigt, dass es ein grosser Wunsch der chinesischen Fans ist, durch die sozialen Medien mehr exklusive Einblicke zu erhalten. Sie wünschen sich mehr exklusive und unterhaltende Rahmenberichterstattung über das private Leben der Spieler, Spielerlegenden oder des Trainers. Dies sollte bei der Inhaltserstellung beachtet werden. Im besten Fall sollte der Content aus Europa extra für die chinesischen Fans produziert werden. Arsenal zum Beispiel hat in London einen chinesischen Redaktor eingestellt, der bei den Spielen, Trainings und sonstigen Terminen Inhalte für den chinesischen Markt erstellt.

5. Aktivierung und Unterhaltung
„It’s not just about having fans. You must engage them. There’s so much clutter on social media. The battle ground is for time and attention.”

– Chris Harris, Managing Editor Arsenal FC

Chinesische Internetnutzer zeichnen sich im Vergleich zu westlichen Usern durch ein erhöhtes Interaktionsbedürfnis aus. Das Engagement von chinesischen Usern ist höher, und sie sind bereit, Inhalte zu kreieren und zu teilen. Zur Beziehungsbildung zwischen Clubs und chinesischen Fans braucht es deshalb mehr emotionalen Austausch. Chinesen schätzen den Aufbau von Vertrauen und Beziehungen mehr als explizite Produktinformationen (Hall, 1989, S. 109). Die Umfrage hat ergeben, dass die Fans sich interaktive Inhalte wünschen, bei denen sie die Möglichkeiten haben, mit dem Team, dem Club oder den einzelnen Spielern zu interagieren. Vereine, die aktiv in den Dialog treten, sich als Freunde verhalten und humorvolle Unterhaltung bieten, gelingt es eher, chinesische Fans anzusprechen und Bindung aufzubauen oder zu verstärken.

Nach der Eröffnung des FC Bayern-Büros in Shanghai war es Kaspers (Managing Director China) erste Priorität, den Fans zuzuhören: „Wir wollen mehr in den Dialog treten und ihnen die Faszination Bayern München vermitteln“ (2016, Frage 3). Die sozialen Medien sind dabei eine kostengünstige Variante: „Wir können alle Fans aus einem Büro erreichen“ (Kasper, 2016, Frage 4).

6. Wertschätzung zeigen
„Chinese hate to lose face. Therefore, they value when they’re respected. A club has to pay respect to the Chinese fans and not only talk about Europe.“

– Lou Jian, Sport-Journalist und Blogger

Die chinesischen Nutzer wollen durch China-spezifische Inhalte Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren. Durch das Interesse am Land und an den Fangruppierungen fühlen sich die Fans wichtig genommen. Es fördert das Zugehörigkeitsgefühl und verstärkt die Bindung und Zuneigung der Fans. Besonders die junge Generation, die sich durch einen zunehmenden Patriotismus und Stolz auszeichnet, kann so erreicht werden (Lou, 2017). Es gibt verschiedene Methoden, über die sozialen Medien den Fans Wertschätzung zu zeigen. Die angesprochene China-bezogene Ausrichtung der Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil.

7. Flexibilität beibehalten
„We’re learning over time, because these platforms also change and evolve daily.”

– Chris Harris, Managing Editor Arsenal FC

Für die Vereine ist es wichtig, eine grundlegende Social-Media-Strategie zu definieren. Allerdings ist es genauso wichtig ist es, bezüglich Plattformen, Kommunikation und Inhalten flexibel zu bleiben. Der chinesische Markt ist höchstdynamisch und die Plattformen wandeln sich täglich. Vereine müssen sich nach dem Markt richten und Prozesse implementiere, die dies berücksichtigen.