Welche Persönlichkeitsmerkmale zeichnen Führungskräfte aus, um Teams im Leistungssport erfolgreich führen zu können?

Die Bedeutung der Persönlichkeit von Führungskräften rückt in Zeiten der zunehmenden Internationalisierung und Individualisierung der Gesellschaft immer weiter in den Vordergrund. Doch welche wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen von “Leadern” sind im Leistungssport gefordert, um erfolgreich zu sein?

Autor:

Philip Castritius

Nicht nur in den „klassischen“ Berufen der Wirtschaft, sondern insbesondere im Sport stehen Führung und Persönlichkeit in einem untrennbaren Zusammenhang. Immer häufiger geraten Fälle an die Öffentlichkeit, in denen Trainer oder Mannschaftskapitäne aufgrund eines gestörten Verhältnisses zur Mannschaft oder mangelndem Zugriff auf das Team keine sportlichen Erfolge feiern können.

Die hohe Relevanz eines starken Persönlichkeitsprofils bei Menschen in Führungspositionen macht sich zudem dadurch bemerkbar, dass die Gefahr des sportlichen Scheiterns aufgrund sozialer Spannungen ein Phänomen ist, welches häufig nicht primär auf sportspezifische Kompetenzdefizite, sondern vielmehr auf divergierende Persönlichkeitsstrukturen zurückzuführen ist. Sowohl die fachlichen als auch die sozialen Fähigkeiten einer Führungskraft spielen dementsprechend eine zentrale Rolle, um dem erforderlichen Persönlichkeitsprofil im Leistungssport gerecht zu werden.

Insbesondere Leistungssportler, die aufgrund zunehmender finanzieller Investitionen sowie des steigenden gesellschaftlichen Interesses und der damit einhergehenden medialen Dauerpräsenz unter enormem Leistungsdruck stehen, sind auf Führungspersönlichkeiten angewiesen, denen es gelingt, alle Teammitglieder langfristig und kontinuierlich zu maximaler Leistungserbringung zu motivieren. Eine erfolgreiche Umsetzung des angestrebten Führungsverhaltens setzt dabei voraus, dass die Führungskräfte einen persönlichen Zugang zu den Athleten finden und die zwischenmenschlichen Aspekte in den Vordergrund ihres Handelns stellen.

Doch welche konkreten Persönlichkeitsmerkmale zeichnen einen Erfolgstrainer aus? Welche Rolle spielen soziale im Vergleich zu fachlichen Fähigkeiten von Trainern und welche Bedeutung haben diese Kompetenzen für den sportlichen Erfolg? Wie wird die Erlernbarkeit bzw. Entwicklungsfähigkeit der Persönlichkeitsmerkmale eingeschätzt und welche Vermittlungsstrategien sind Erfolg versprechend? Im Rahmen seiner Bachelorarbeit beschäftigte sich Philip Castritius mit diesen Fragen. Aus den Interviews mit ausgewählten Trainern aus verschiedenen Sportarten sowie einigen Führungsspielern ergaben sich folgende Erkenntnisse in Bezug auf Führungsverhalten und Führungspersönlichkeit von Erfolgstrainern:

1. Motivation durch Ziele und Vision
Es lässt sich feststellen, dass es für den Teamerfolg eines sowohl authentischen als auch überzeugenden Führungsstils bedarf. Durch die Implementierung einer überzeugenden Vision und klarer Ziele, sollen die Athleten den Sinn der Trainingsarbeit selber erkennen und dadurch aus Selbstüberzeugung hohe Leistungen anstreben. Zudem kann festgehalten werden, dass die Förderung der Selbstmotivation eines jeden Spielers zu den Kernkompetenzen eines ambitionierten und erfolgreichen Trainers zählen muss.

2. Zentrale, gemeinsame Werte
Es zeigt sich, dass die Identifikation der Athleten mit den übergeordneten Mannschaftszielen eine wesentliche Rolle für den Erfolg darstellt. Um diese gemeinsame Identifikation herbeizuführen und aufrechtzuerhalten gilt es, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Konkret konnten im Rahmen der Befragung Disziplin, Ehrlichkeit, Fairness, Respekt und Vertrauen meinungsübergreifend als zentrale Werte im Bereich des Leistungssports ermittelt werden.

3.Kommunikation und Kritikfähigkeit
Neben dem persönlichen Vorleben der Werte durch die Führungskraft, gilt gegenseitige und offene Kommunikation als wesentliche Methode der Übermittlung dieser Normen an die Athleten. Dabei legen die Trainer Wert darauf, dass nicht nur die positiven Aspekte der Zusammenarbeit angesprochen werden, sondern auch Platz für negative Kritik und Diskussion geschaffen wird. Durch eine lebendige und konstruktive Streitkultur wird ermöglicht, Probleme offen und direkt anzusprechen und somit Lösungsansätze zu finden, die zur positiven Entwicklung des Teams beitragen.

4. Kooperativer Führungsansatz
Es lässt sich festhalten, dass das Führungsverhalten der befragten Personen eine eindeutige Tendenz in Richtung eines demokratischen, kooperativen Ansatzes zeigt. Insbesondere bei Entscheidungen zu taktischen Vorgehensweisen werden die Meinungen der Athleten vermehrt in die Überlegungen der Trainer miteinbezogen. Dabei spielt auch Einfühlsvermögen eine zentrale Rolle. Nichtsdestotrotz sind sich die Experten einig, dass die Führungskraft eine Respektsperson ist und stets Autorität ausstrahlen muss. Die finale sportliche Entscheidung muss vom Trainer getroffen werden, da er am Ende des Tages zur Verantwortung gezogen wird und für seine Vorgehensweise geradestehen muss.

5. Teamgeist und Teamaufstellung
Im Rahmen der Befragung ging zudem hervor, dass der Teamgedanke im Führungsverhalten der Experten essenziell ist. Auf dem Weg zum Erfolg stehen die Formung und der Erhalt einer harmonischen, homogenen Gruppe stets im Vordergrund. Es lässt sich festhalten, dass der faire Umgang und die Gleichbehandlung der Athleten bzw. der Teammitglieder eine der wichtigsten Kompetenzen und gleichzeitig eine der grössten Herausforderungen bzgl. des Führungsverhaltens eines Trainers darstellt. Es ist notwendig, dass er mit Situationen umgehen kann, in denen er seine Spieler unter Umständen verletzen muss. Die Aufgabe des Trainers ist es, im Team eine dementsprechende Akzeptanz für die jeweiligen Rollen der Spieler und somit eine harmonische Atmosphäre zu kreieren.

6. Persönliche Förderung durch Vier-Augen-Gespräche
Unter anderem aufgrund der zunehmenden Internationalisierung im Leistungssport, existieren zahlreiche verschiedene Charaktere und Mentalitäten innerhalb eines Teams. Deshalb gilt es, die Trainingsinhalte und taktischen Anweisungen nicht nur in der Gruppe anzusprechen, sondern durch individuelle Vier-Augen-Gespräche mit den Athleten ein gemeinsames Verständnis aufzubauen. Neben der unterschiedlichen Interpretation der Botschaften des Trainers, sind die Charaktere auch häufig in Bezug auf ihre Motivation bzw. ihren Ehrgeiz verschieden gepolt. Hierbei ist es ebenfalls wichtig, auf die einzelnen Spielertypen und individuellen Bedürfnisse der Athleten einzugehen.

7. Charakterstärke vorleben
Der Enthusiasmus, der durch das Vorbildhandeln der Führungspersönlichkeit verkörpert wird, kann auch durch das Auftreten des Trainers nach aussen wiedergegeben werden. Die Art und Weise der Vermittlung ist dabei jedoch abhängig vom Charakter der Führungskraft. Es erfordert nicht zwingend ein emotionales oder extrovertiertes Verhalten, um Enthusiasmus auszustrahlen. Wichtiger ist, dass das Auftreten stets authentisch ist.

In Anlehnung an das beleuchtete Führungsverhalten der befragten Experten, können unter anderem folgende Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führungspersonen im Sport identifiziert werden: Begeisterungsfähigkeit, Empathische Kompetenz, Interaktionsfähigkeit, Individuelle Beachtung, Personalisierungsfähigkeit der Beziehung, Berücksichtigung des sozialen Umfelds, Fähigkeit Gruppen zu führen, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft, Vertrauenswürdigkeit, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen und Kommunikationsfähigkeit, Offenheit sowie Konflikt- bzw. Kritikfähigkeit der Führungspersonen.

In Bezug auf das Führungsverhalten erfolgreicher Leader bleibt also festzuhalten, dass sich der Führungsstil weg von einem autoritärem hin zu einer kooperativen und kommunikativen Führungsweise orientiert. Deutlich herausgestellt werden soll an dieser Stelle die Bedeutung einer persönlichen, auf den jeweiligen Athleten abgestimmten Art der Einflussnahme, die sich aus einer genauen Kenntnis der individuellen Besonderheiten der einzelnen Charaktere ergibt. Durch den Aufbau persönlicher Beziehungen sind sozial kompetente Trainer eher in der Lage, sportliche Krisen zu überstehen und Konflikte zu managen. Somit stellt Sozialkompetenz eine zentrale Voraussetzung dar, um langfristig mit Athleten zusammenzuarbeiten. Durch Hilfestellungen und Unterstützung im aussersportlichen Bereich tragen sozial kompetente Trainer zudem dazu bei, für die Athleten ein intaktes soziales Umfeld und somit optimale Voraussetzungen für die Erbringung sportlicher Höchstleistungen zu schaffen. Die fachliche Kompetenz wird im Hinblick auf die Fähigkeit, Glaubwürdigkeit auszustrahlen, als eine Grundbedingung sozial kompetenten Trainerhandelns angesehen. Die wissensbasierte fachliche Autorität kann zudem dadurch gestärkt werden, dass der Trainer eigene Erfahrungen als Spitzensportler aufweist. Dies hilft ihm dabei, die Athleten von der Richtigkeit und Angemessenheit seiner Vorgaben zu überzeugen und somit Kooperation und hohe Leistungsmotivation sicherzustellen.