Wie sieht ein auf die Generation Z abgestimmter Führungsstil im Spitzenfussball aus?

Die Erwartungen der Fussballspieler an ihren Trainer haben sich grundlegend verändert. Um zu verstehen, wie die Generation Z (Jahrgänge 1995 bis 2009, „Gen Z“ genannt) geführt werden möchte, ist ein Blick auf die spezifischen Bedürfnisse, Eigenschaften und Werte der Angehörigen der Gen Z relevant.

Autor:

Patrik Schuler

Eine Generation kann beschrieben werden als eine gesellschaftliche Gruppe von Jahrgängen, welche durch verschiedene Einflussfaktoren wie die Eltern, Medien oder kritische wirtschaftliche und soziale Ereignisse beeinflusst werden und deshalb ein über die Zeit stabiles, gemeinsames Wertesystem teilen, welches sie von Menschen unterscheidet, die zu einer unterschiedlichen Zeit aufgewachsen sind (Fuchs & Herzog, 2018, S. 8). Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, dass verschiedene Generationen Führungskräfte unterschiedlich beurteilen und ein anderes Verständnis von einem erwünschten Führungsstil haben (Sessa, Kabacoff, Deal & Brown, 2007, S. 60; Arsenault, 2004).
Doch welche Charakteristiken zeichnen die Gen Z besonders aus und wie definiert sich ein auf die Gen Z abgestimmter Führungsstil? Bei welchen Führungskomponenten bestehen für die Trainer hinsichtlich dieser Charakteristiken Verbesserungspotenziale? Im Rahmen seiner Masterarbeit beschäftigte sich Patrik Schuler mit diesen Fragen. Aus den Interviews mit ausgewählten Nachwuchstrainern, Nachwuchschefs, Spielern und Fachexperten aus dem Schweizer Spitzenfussball ergaben sich folgende Kernthemen, die einen auf die Gen Z abgestimmten Führungsstil auszeichnen:

– Verlangen nach „Instant Feedback“: Durch das Internet, Social Media und die Schnelllebigkeit sind sich die jungen Menschen heutzutage gewohnt, für die eigenen Aktionen stets eine unmittelbare Rückmeldung, Belohnung oder Wertschätzung zu erhalten (Jenewein, 2018, S. 58; Miller, 2018, S. 53, Laudert, 2018, S. 14). Diese Wertschätzung ist der Gen Z extrem wichtig und manifestiert sich im Spitzenfussball darin, wie mit den Spielern kommuniziert wird und wie sie behandelt und belohnt werden (McGaha, 2018, S. 98). Während es vor 10-20 Jahren reichte, den Spielern zweimal pro Jahr ein ausgiebiges Feedback zu geben, so verlangt die Gen Z fortlaufend kleine, kurze, aber klare Feedbacks (Castella, 2019).

– Sinnerklärung: Der Trend zum sinnerfüllten Tun setzt sich nach der Generation Y fort (Jenewein, 2018, S. 59). Die Gen Z ist auf Erklärungen erpicht, erwartet von ihrem Trainer einerseits, dass dieser bei Trainingsübungen den Sinn beziehungsweise den Zusammenhang zu Situationen im Ernstkampf erklärt, als auch, dass der Trainer seinen Spielern durch transformationale Führung aufzeigen kann, wofür es sich lohnt, sich jeden Tag 100% zu engagieren.

– Kurze Aufmerksamkeitsspanne und visuelles Lernen: Ein sehr typisches Merkmal der Gen Z-Angehörigen ist ihre kurze Aufmerksamkeitsspanne (Grubb, 2016, S. 23; Lanier, 2017, S. 289). Gemäss Jugendforscher Hurrelmann müssen sich die Arbeitgeber auf eine Generation einstellen, welche hochsensibel ist, alles blitzschnell aufnimmt, sich jedoch schnell ablenken lässt und nur ein kurzes Durchhaltevermögen besitzt (Bedürftig, 2019). Während die Millennials ihre Informationssuche typischerweise auf Google vorgenommen haben, bevorzugt die Gen Z das Lernen via YouTube und allgemein via Bilder, Video und Audio (Seemiller & Grace, 2013). Da die Gen Z von den neuen, schnellen Kommunikationsmitteln geprägt ist, erwartet sie auch von ihren Führungskräften eine effiziente und, wo es sinnvoll ist, multimediale Kommunikation (Blättler, 2019). Von einem Trainer wird heutzutage verlangt, dass er seinen Spielern Optimierungspotenziale visuell aufzeigen kann, beispielsweise durch Videoanalysen. Um diese veränderten Erwartungen der Spieler bewältigen zu können, sind beispielsweise Kompetenzen des Trainers gefragt, ihre Ansprachen kurz und klar zu halten und die Spieler zu integrieren. In der Stichprobe wurde deutlich, dass die Spieler der Gen Z viel häufiger via Videoanalysen gecoacht werden möchten als dies ihre Trainer aktuell machen.

– Bedürfnis nach ehrlichen und authentischen Führungskräften: Trotz der heutigen technologischen Kommunikationsmöglichkeiten und der Vielzahl an Stunden, welche Teenager tagtäglich an ihren Smartphones verbringen, ist auffällig, dass die Generation Z sehr hohen Wert auf die Face-to-face-Kommunikation mit ihren Vorgesetzten legt (Schawbel, 2016; Pires, 2017). Bei der Kommunikation von wichtigen Themen wünscht die Gen Z von der Führungskraft Authentizität, Ehrlichkeit, Empathie, Interesse und Fürsorge, was alles im persönlichen Gespräch am besten vermittelt werden kann (Miller, 2018, S. 54f.; Seemiller & Grace, 2018, S. 29; Goh & Lee, 2018, S. 21). Wenn die Führungskräfte ihren Gen Z-Mitarbeitenden regelmässiges und ehrliches Coaching anbieten, so schätzen diese extrem, dass sich die Führungskraft um ihren langfristigen Erfolg kümmert und ihnen helfen möchte, die persönlichen, beruflichen Ziele weiterzuentwickeln (Laudert, 2018, S. 11). Die Gen Z erwartet einen Führungsstil, welcher die Strukturen klar vorgibt. In Zusammenhang mit der transparenten Kommunikation erwarten die Spieler der Gen Z von ihrem Trainer beispielsweise, dass dieser aufzeigt, wo sich der Spieler individuell verbessern muss und möglichst klare Ansagen zu den nächsten Meilensteinen und Karriereschritten macht.

Die Liste der Anforderungen an einen modernen Fussballtrainer ist umfassend, wenn er seinen Führungsstil möglichst optimal auf die Generation Z abstimmen möchte. Aus der qualitativen und quantitativen Auswertung dieser Arbeit resultieren folgende Handlungsempfehlungen für die Führungspersonen im Spitzenfussball:

1. Leitplanken setzen und möglichst viel transformational führen
Es lässt sich feststellen, dass die Gen Z weniger stark hierarchisch geführt werden möchte und mehr Freiräume benötigt als ihre Vorgängergenerationen. Dennoch, oder womöglich gerade deshalb, ist es wichtig, als Führungskraft klare Leitplanken zu definieren, zwischen denen die Handlungsspielräume zur persönlichen Entfaltung der Spieler liegen. Wann immer nötig, muss die Führungskraft deshalb einen transaktionalen Führungsstil einsetzen. Für alle anderen Situationen sollen transformationale Führungskomponenten eingesetzt werden. Die Zufriedenheit der Angehörigen aus der Gen Z mit ihrer Führungskraft scheint mit der Wahrnehmung der Spieler, ob ihre Führungsperson stark transformational führt, zu korrespondieren. Ein transformationaler Führungsstil bedingt, dass die Führungsperson den Willen aufbringt, sich mit den Spielern aktiv auseinanderzusetzen.

2. Die Gen Z vermehrt abholen und integrieren
Spieler der Gen Z möchten von ihrem Trainer sowohl im spielerischen als auch im menschlichen Bereich abgeholt und integriert werden. Sie hinterfragen alles und verlangen von ihrem Trainer gute Argumente und den Miteinbezug in die Entscheidungsfindung. Stand heute möchten noch zu viele Trainer ihr eigenes Programm durchsetzen anstatt die Besonderheiten, Sorgen, Sichtweisen und Wünsche der Gen Z-Spieler im eigenen Führungsstil zu integrieren. Voraussetzung dafür ist eine Offenheit des Trainers und ein Interesse daran, wie die nachkommende Generation tickt. Durch den Miteinbezug der zunehmend mitdenkenden Spieler kennt ein Trainer deren Bedürfnisse und sendet Signale von hoher Wertschätzung und Vertrauen an die Spieler aus.

3. Mehr Wert legen auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele
Die Angehörigen der Gen Z zeichnen sich durch ein riesiges Bedürfnis nach individueller Berücksichtigung aus. Den Führungspersonen im Spitzenfussball kann deshalb empfohlen werden, eine Mentorenrolle und eine coachende Haltung in ihr Führungsstil-Repertoire aufzunehmen. Unter der coachenden Haltung versteht der Forscher den Willen der Führungskraft, mit den geführten Individuen einen regelmässigen Austausch zu pflegen und sie auf ihrem persönlichen Weg so zu unterstützen, dass sie selber fähig sind, Lösungen für ihre individuelle Situation zu entwickeln.

4. Viel regelmässiger ein unmittelbares Feedback geben
Gemäss den qualitativen Interviews mit den Führungspersonen im Spitzenfussball sind die Anforderungen an die Sozial- und Fachkompetenz eines Trainers in den letzten Jahren gestiegen. Die Gen Z ist es sich gewohnt, für sämtliche persönlichen Aktionen ein unmittelbares Feedback zu erhalten. Insofern scheint es für die Führungskräfte im Umgang mit Angehörigen aus der Gen Z essenziell, sich die zentralen Regeln des Feedback-Gebens anzueignen und Wert darauf zu legen, sämtlichen Spielern möglichst viel «Instant Feedback» zu geben. Durch ein sehr regelmässiges Feedback wird auch das Dilemma gelöst, dass die Führenden ihren Spielern deren nächsten Karriereschritte nicht komplett transparent mitteilen möchten bzw. dürfen. Denn je öfter ein Spieler von seiner Führungsperson eine individuelle «Instant»-Rückmeldung erhält, und sei dies auch bloss eine Information, inwiefern sich der Spieler in welchen Bereichen verbessern kann, desto klarer und transparenter wird der Spieler den Führungsstil wahrnehmen.

5. Visuelle Möglichkeiten und multimediale Kommunikation noch besser nutzen
Im Vergleich zu früher sind heutzutage deutlich mehr Ressourcen vorhanden, um die Spieler mit visuellen Unterstützungsmitteln zu betreuen. Die Generation Z kann visuelle Bilder hervorragend aufnehmen und wieder abrufen, und der Lernprozess macht dieser Generation so mehr Spass.